Gesundheit
Menschen vor Profite! Gesundheit ist keine Ware – Versorgung für Alle!
Armut macht Krank und Krankheit macht arm. Die Themenfelder Gesundheit und Soziales stehen in einer unmittelbaren Verbindung zueinander. In Deutschland sterben diejenigen früher, die weniger Geld haben. Unser Gesundheitssystem muss solidarischer und menschenorientierter werden.
Das Gesundheitssystem in Deutschland zeigt zunehmend Versorgungsdefizite und Lücken gegenüber verschiedenen Personengruppen auf. Dies hat strukturell bedingte gesundheitsgefährdende Auswirkungen.
Innerhalb der Diskussion zur Gesundheitsversorgung von sozial benachteiligten Menschen in Deutschland sind 3 Handlungsebenen bzw. Aktionsbereiche von entscheidender Bedeutung:
- Erstens ist eine von Respekt und Wertschätzung geprägte Diskussion zum Kontext Armut und Gesundheit einzufordern. Dies ist leider, gerade auch im Hinblick von Äußerungen politischer Entscheidungsträger, immer noch nicht der Fall. Armut als individuelles Versagen zu bezeichnen ist inhaltlich falsch und diffamierend sowie stigmatisierend.
- Zweitens muss auf der praktischen Ebene schnell, kompetent, betroffenenzentriert agiert werden. Aufgrund der Feststellung, dass das bestehende Gesundheitssystem zunehmend Menschen in besonderen Lebenslagen nicht erreicht, sind Überlegungen im Sinne einer Umstrukturierung der medizinischen Versorgung notwendig. Die klassische Komm-Struktur im ärztlichen Bereich (Patient kommt zum Arzt) ist durch die Praktizierung einer Geh-Struktur, der Arzt geht zum Patienten, zu ergänzen. Ein niedrigschwelliges medizinisches Versorgungsangebot „vor Ort“, innerhalb sozialer Brennpunkte, Wohnungsloseneinrichtungen, Drogenberatungsstellen, Arbeitsämter, Schulen, Kindergärten muss verstärkt und konsequent realisiert und praktisch umgesetzt werden. Die Finanzierung muss staatlich gefördert werden.
- Drittens sind die gesellschaftsstrukturellen Verursachungsmechanismen zu identifizieren und abzuschaffen. Entsprechend vorgegebene Rahmenbedingungen, sich widerspiegelnd in Gesetzestexten, Bestimmungen, Handlungsanweisungen usw., sind zu verändern. Beispiele hierfür wären die vollkommene Befreiung von Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen im Gesundheitssektor für Empfänger von sozialen Transferleistungen. Finanzierung von Sehhilfen als Regelleistung durch die Krankenkassen. Umstrukturierung des dualen Krankenversicherungssystems in Richtung einheitlicher Bürgerversicherung.
Jeder Mensch hat ein Recht auf eine menschenrechtskonforme Gesundheitsversorgung!
Was beeinflusst, bestimmt die Gesundheit von Menschen, die von sozialer Benachteiligung betroffen sind? Was sind Gesundheitsrisikofaktoren? Natürlich ist von einem multikausalen Geschehen auszugehen. Individuelles Risikoverhalten (Ernährungsgewohnheiten, Zigarettenkonsum, Alkoholkonsum, Bewegungsmangel), Belastungen durch Arbeit oder auch Arbeitslosigkeit, einschneidende Lebensereignisse (Trennung, Scheidung, Tod des Partners usw.), Wohnort und damit einhergehenden Umweltbelastungen (Lärm, Luftverschmutzung), Bildung, aber auch gesellschaftsstrukturelle Faktoren sind beeinflussende, bestimmende Parameter. Die Lösung des Problems wird in großen Teilen der Politik, aber auch generell in der Öffentlichkeit, teilweise auch in der Fachöffentlichkeit, einseitig im Konzept einer Bildungsförderung gesehen, d.h. auch, dass das Armutsphänomen individualisiert wird. Es handelt sich demzufolge um einen Mangel, um Defizite des einzelnen Betroffenen, gesellschaftliche Korrelationsmechanismen werden negiert, oder es wird zumindest davon abgelenkt. Der Gesundheitsrisikofaktor „Soziale Transferleistungen“ und „Gesundheitsversorgungssystem“ werden immer noch zu selten hinterfragt und kritisch reflektiert.
Seit 1989 wurde und wird systematisch die Errungenschaft des gesundheitlichen Solidarprinzips ausgehöhlt und teilweise abgeschafft. Zuzahlungen und Zusatzbeiträge, Eigenbeteiligungen, komplizierte administrative Antragsverfahren behindern und verhindern den Zugang zum Gesundheitsversorgungssystem. Hieraus folgt die Erkenntnis: Die derzeitige Gesundheitsversorgung von zahlreichen Bevölkerungsgruppen ist absolut unzureichend. Zahnbehandlungen, notwendige Brillenanschaffungen, Hörgerätezusatzmaterialien (Hörgerätebatterien), physikalische Maßnahmen, um nur einige wenige zu benennen, sind für von Armut betroffene Menschen nicht finanzierbar! Das notwendige Geld kann von 446 € (soziale Transferleistung für einen Einpersonenhaushalt im Jahre 2021) nicht angespart werden. Diese – zum Leben bzw. zur gesellschaftlichen Teilhabe unbedingt notwendigen – Hilfsmittel bzw. medizinischen Maßnahmen müssen bei der Regelsatzberechnung des Arbeitslosengeldes 2 berücksichtigt werden. Ca. 17,02€ Gesundheitsbudget innerhalb des Regelsatzes (2021) sind für eine sinnvolle und notwendige Gesundheitsfürsorge zu wenig.
Deshalb möchte ich mich einsetzen für:
- Abkehr vom dualen Krankenversicherungssystem (gesetzliche und private Versicherung) und Einführung der Bürgerversicherung
- Abbau von der zunehmenden Entsolidarisierung im Gesundheitssystem – keine weitere Privatisierung im Gesundheitswesen und von Gesundheitsleistungen.
- Bessere Leistungen durch Krankenkassen – Brillen und Hörgerätebatterien müssen wieder ohne private Finanzierung von den Krankenkassen finanziert werden.
- Vernetzung von ärztlich-pflegerischer Gesundheitsversorgung mit sozialarbeiterischen Maßnahmen
- Bundeseinheitliche Regelung, dass alle wohnungslosen Menschen krankenversichert sind
- Befreiung von Empfängern sozialer Transferleistungen von jeglicher Eigenleistung
- Für Haftentlassene muss schon vor Haftende ein Krankenversicherungsschutz beantragt werden. In der Bearbeitungszeit nach der Haftentlassung, dauert es oft 4 – 8 Wochen bis der oder die Betroffene eine Krankenversicherungskarte bekommt
- Bundesweite Einführung von sogenannten Clearingstellen (Beratungsstellen zum Thema Krankenversicherung) für Menschen ohne Krankenversicherung kombiniert mit einem Behandlungsfonds
- Ausbau der Krankenhaussozialarbeit
- Implementierung der im Jahre 2004 abgeschafften Arbeitsgruppe: Armut und Gesundheit im Gesundheitsministerium