Fragen, Diskussionen & Interviews
Abgeordnetenwatch
SWR-Kandidatencheck
12 Fragen von Mainz&
Queergefragt zur Bundestagswahl
Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl, AStA Mainz
Teil 1:
Teil 2:
Interview in der STUZ
Interview mit dem Deutschlandfunk
Hörbeitrag im Deutschlandradio (9:20 Minuten).
Sonntagstalk mit Antenne Mainz
3 Fragen vom NABU
Fragen von der Seebrücke
Frage vom Jugendforum/Stadtjugendring Mainz
Fragen von Foodsharing
1. foodsharing und Fairteiler
Haben Sie schon einmal von Foodsharing/Fairteilern/ foodsharing Städte Kenntnis genommen oder
sind Sie ggfs. selbst aktiv (gewesen)?
Ja sicher sind mir die Fairtailer – nicht nur in Mainz, sondern auch generell – bekannt. Da ich einen Großteil meiner Arbeit mit Menschen verbringe, die obdachlos sind oder in extremer Armut leben weiß ich, dass sie ohne die Fairteiler – aber auch ohne die Tafel oder den Brotkorb – noch größere Probleme hätten, als es ihr Alltag sowieso schon mit sich bringt, regelmäßige Mahlzeiten zu bekommen. Gerade die Fairteiler am Mainzer Bahnhof werden aus meiner Erfahrung sehr stark frequentiert.
Auch ich habe schon Lebensmittel in den Fairteiler gelegt, die ich selbst nicht geschafft habe aufzubrauchen.
Abgesehen davon ist Foodsharing aus meiner Sicht aber auch generell eine hochrelevante politische Bewegung für Lebensmittelwertschätzung auf lokaler Ebene und ich freue mich, dass auch hier in Mainz so viele Menschen aktiv sind, um der Verschwendung entgegenzuwirken.
2. Reduktion der Nahrungsmittelverschwendung
Im Jahr 2015 hat Deutschland in den Sustainable Development Goals mit der UNO eine Reduktion der Nahrungsmittelverschwendung um 50% bis 2030 vereinbart (UNO SDG Ziel 12 3[1]). Was sind die wichtigsten Maßnahmen, die Sie im Bundestag umsetzen wollen, um dieses Ziel zu erreichen?
Da gibt es aus meiner Sicht zwei Punkte zu bedenken: zum Einen muss sichergestellt werden, dass entlang der gesamten Wertschöpfungskette verbindliche Reduktionsziele vereinbart werden. Es muss normal werden, dass man gegen 18:00 in einem Supermarkt die Frischeregale recht leer vorfindet – denn Vieles, was um diese Uhrzeit noch verfügbar ist, wird mit Sicherheit am nächsten Tag nicht mehr den Ansprüchen einer Frischetheke entsprechen und vermutlich entsorgt werden müssen.
Personen, die erst spät einkaufen können und auch am Abend noch auf frische Lebensmittel angewiesen sind, könnten ja z.B. problemlos online oder per Telefon vorbestellen. Das ist ja schon heute Gang und Gäbe, warum soll es nicht mit Blick auf einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen zu einer Selbstverständlichkeit werden? Allerdings darf die Vorbestellung nur eine Option sein. Es gibt natürlich auch Menschen, denen die Möglichkeit oder das Know-How einer Onlinebestellung fehlt – sie dürfen nicht ausgeschlossen werden!
Ich will im Bundestag die Initiative unterstützen, die Supermärkte verpflichtet, aussortierte, aber noch genießbare Lebensmittel kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Über ein Verteilungssystem muss vermutlich noch einmal im Detail nachgedacht werden, ich sehe das aber als unausweichlichen Weg in Richtung Verteilungsgerechtigkeit und nachhaltigen Verbrauch.
3. Zukunftsfähigkeit des Agrarwirtschafts- und Ernährungssystems
Unser Konsumverhalten, insbesondere durch Verschwendung von Lebensmitteln und Ressourcen, ist mitverantwortlich für den Hunger auf der Welt. Das auf stetiger Überproduktion und Ausbeutung von Mensch und Natur basierende industrielle Agrarsystem führt dazu, dass global etwa ein Drittel aller Lebensmittel vernichtet werden und nicht auf den Tellern landet.
Mit welchen Maßnahmen wollen Sie hieran etwas ändern?
Die globalen Ressourcen sind begrenzt; und auch nachwachsende Rohstoffe benötigen Zeit zur Erneuerung. Wir müssen raus aus der Wegwerfgesellschaft, rein in eine
Kreislaufwirtschaft. Wir sollten quantitative Abfallvermeidungsziele einführen (»Zero
Waste«) und einen Rückgang des absoluten Ressourcenverbrauchs erreichen. Ich hoffe hier auf eine tragfähige überparteiliche Zusammenarbeit, die ihren Schwerpunkt insbesondere auf die folgenden drei Punkte legt:1. Förderung regionaler und lokaler Landwirtschaft, Verarbeitungs- und
Verteilungsstrukturen2. Förderung und Weiterbildungsprogramme für Landwirt*innen, welche über die
finanzielle Unterstützung hinaus auch Fachwissen für eine nachhaltige Agrarpolitik schafft3. Schutz der Arten – ein strenges Regelwerk für die Zulassung von
Pflanzenschutzmitteln, Verbot von Qualzucht, Einsatz von Antibiotika nur im Krankheitsfall, nicht zur Leistungssteigerung in der Tierzucht.
Hier gibt es mit Sicherheit viele politische Akteure, die in diesem Thema fachlich deutlich
bewanderter sind als ich. Mit diesen möchte ich mich austauschen und ich sichere meine
ganze Unterstützung für die notwendigen Maßnahmen zu.
4. Gesetzlicher Wegwerfstopp
In Frankreich wurde 2016 ein gesetzlicher Wegwerfstopp, das “Loi Garot”, eingeführt. Mit dem Gesetz wird der Lebensmitteleinzelhandel – und seit 2019 auch die Gemeinschaftsgastronomie sowie die Lebensmittelindustrie – dazu verpflichtet, Lebensmittel weiterzugeben, statt wegzuwerfen. Inwiefern halten Sie ein solches Gesetz auch in Deutschland für sinnvoll und werden Sie sich für die Einführung solcher Vorgaben in Deutschland einsetzen?
Wie ich bereits vorher dargestellt habe: Supermärkte müssen verpflichtet werden, aussortierte, aber noch genießbare Lebensmittel kostenfrei zur Verfügung zu stellen und über ein funktionierendes Verteilungssystem muss vermutlich noch einmal im Detail nachgedacht werden. Denn natürlich ist es nicht trivial, Lebensmittel, die aussortiert werden danach schnell und effektiv in großen Mengen weiterzugeben und dabei sicherzustellen, dass sie weiterverwendet werden, ehe sie ungenießbar werden.
Ich bin tatsächlich für ein solches Gesetz, denn wir sehen immer wieder, dass Dinge möglich werden, wenn sie getan werden müssen. Transparenz und Klarheit sind aus meiner Sicht in diesem Fall sehr wichtige Elemente für die Umsetzung einer nachhaltigen Strategie.
5. Ernährungsbildung und -wertschätzung
Wie stellen Sie sich in Zukunft vor, dass in der Gesellschaft ein größeres Bewusstsein für (noch zu genießbare) Lebensmittel/ zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung geschaffen wird?
Das Thema beginnt für mich bereits im Kindergarten, in Kindertagesstätten und in den
Schulen, wo ich einen sehr konkreten Bildungsauftrag zum Thema Nachhaltigkeit und
Umgang mit Ressourcen sehe. Dabei darf es aus meiner Sicht nicht abstrakt sein, sondern kann ganz auf wissenschaftlich fundierten Zusammenhängen aufbauen. Kinder können Zusammenhänge sehr gut verstehen und ihre eigene Rolle darin gut erkennen.
Selbstverständlich gehört auch eine gesunde Ernährung, welchen Kinder ganz
selbstverständlich in öffentlichen Einrichtungen und Zuhause angeboten werden sollten, zum Gesamtkonzept. Dazu ist allerdings nötig, dass sich wirklich alle gesunde Lebensmittel leisten können und dass diese genauso einfach und attraktiv zuzubereiten bzw. anzubieten sind wie die ungesunden Alternativen.
Außerdem denke ich, dass in jedes Städtekonzept deutlich sichtbar für alle das Prinzip
„Essbare Stadt“ eingebunden gehört. Es muss wieder vor aller Augen sein, dass Lebensmittel nicht anonym im Regal landen, sondern dass sie angebaut, bebaut, geerntet und verteilt werden. Im Kleinen ist das mit Stadtgärten, die jeder bebauen und ernten darf möglich, im Größeren ist es sicher auch eine Überlegung wert, den Stadtbauernhof wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken.